Fünf Jahre lang haben wir unser Leben mit ihr geteilt, jetzt ist sie schneller weg als erwartet: Buyi, Tagesmutter und Haushaltshilfe, hat uns Hals über Kopf verlassen.
Vor fünf Jahren, als noch jeder Tag im Zululand neu und aufregend war, stand sie vor unserer Tür: Ein einundzwanzig Jahre altes, südafrikanisches Mädchen mit einem breites Lächeln im Gesicht. Sie stellte sich für einen Job als Tagesmutter vor, ohne viele Worte zu verlieren, und wir mochten sie auf Anhieb. Wir brauchten jemanden, der sich nachmittags um unseren Sohn kümmerte, da der Kindergarten nur bis 12 Uhr offen hatte. Also kam Buyi einen Monat lang auf Probe – und blieb gut fünf Jahre bei uns. Offiziell hieß sie Domestic Worker, später Helper. Morgens um 7:30 Uhr startete ihr Arbeitstag, sie wollte einen Vollzeitjob, und wir wollten sie. Vormittags kümmerte sie sich um den Haushalt, nachmittags um unser Kind. Es war kein schwieriger Job, was auch daran lag, dass wir als Europäer viel selbst erledigen – ganz einfach, weil wir nicht daran gewöhnt waren, ständig jemanden im Haus zu haben. Und sie? Junge Frauen in Europa studieren in ihrem Alter, machen eine Ausbildung oder erkunden die Welt. Buyi wollte möglichst viel arbeiten, um ihre Familie zu unterstützen. Sie stand um vier Uhr morgens auf und kam abends um sieben Uhr nach Hause.
Sieg über die Hexerei
Wir haben viel zusammen erlebt. Von Mitteleuropäern wurden wir zu Halbafrikanern, unser Leben war keine gerade Linie mehr, sondern ein Zickzackkurs, auf und ab, zur Seite und zurück. Wir verliebten uns in Südafrikas Land und Leute und verfluchten beide, wenn das Chaos mal wieder zu groß wurde. Buyi war ein Ruhepol inmitten dieses wilden Ritts, obwohl auch ihr Leben immer turbulent war. Zwei Jahre lang plante sie ihre Hochzeit, ein großes Ereignis in der Zulu-Kultur. Nie reichte das Geld für die elf Kühe, die als Mitgift vereinbart waren, am Schluss bezahlte sie heimlich einen Teil davon selbst. Sie finanzierte die Ausbildung ihres Bruders und half bei traditionellen Festen mit Geld aus. Einmal brannte eine Rundhütte nach einem Kurzschluss ab; niemand wurde verletzt, aber die komplette Einrichtung war zerstört. Wir kamen von einem Wochenendtrip nach Hause und fanden sie unter Schock in unserer Küche vor, wo sie uns die Geschichte erzählte. Eine Woche später wurde dann auch noch ihre Schwester krank – sie war sich sicher, dass jemand einen bösen Fluch auf sie gehetzt habe. Mit Hilfe von Gott und einem sangoma besiegte sie die Hexerei. Ihre Schwester erholte sich, und Buyi setzte all ihr sauer verdientes Geld ein, um das Haus wiederaufzubauen.
Angeheiratete Ahnen
Ihre Familienkonstellation mutet für unser Verständnis seltsam an. Sie lebt im Haus der Schwiegereltern, obwohl ihr Mann in der Großstadt Durban wohnt und arbeitet, etwa eineinhalb Stunden entfernt. Die beiden sehen sich höchstens für ein Wochenende pro Monat. Ihre achtjährige Tochter Simphiwe lebt bei der Großmutter, weil die Schule dort leichter zu erreichen ist. Buyi ist verantwortlich für das Haus der Familie ihres Mannes, sie kocht und putzt, renoviert und hütet Kinder, die nicht ihre eigenen sind. Dreimal musste sie ihren Nachnamen wechseln, sie hieß Mahaye, Mthethwa und Ngobese. Ihre leiblichen Eltern dürfen aus traditionellen Gründen nicht mit ihren Schwiegereltern reden. Außerdem wechselte sie bei der Hochzeit auch noch ihre Ahnen: Zulu-Frauen übernehmen die ancestors des Mannes, damit es oben im Himmel nicht allzu kompliziert wird.
Donald Trump und Pfannkuchen
Für uns war Buyi ein Quell des Wissens. Sie erklärte uns die Umgebung, alteingesessene Zulu-Traditionen, schwierige Wörter in isiZulu und den way of life in unserer Wahlheimat. Gleichzeitig gab es in unserem Haus viele Dinge, die sie noch nie gesehen hatte: Kochende Männer, Brotmaschinen, Ostereier und Lego-Sets. Sie hörte bei uns zum ersten Mal von einem Typen namens Donald Trump, von Dinosauriern, einem europäischen Land, das Frankreich heißt und einem Gericht namens Nudelsalat. Sie freundete sich zum ersten Mal mit einem Hund an und perfektionierte die Kunst, Pfannkuchen zu braten. Irgendwann hatte sie sogar einige Brocken Deutsch drauf („Cheute koche ich Knödel“), neue Abschiedsfloskeln („Tschausen“) und einen eigenen Spitznamen für unseren Sohn („Stiiiitza“). Vergeblich war allerdings unsere Bitte, Lean ein wenig isiZulu beizubringen. Wichtiger war für sie, ihr Englisch zu trainieren.
Afrikanischer Abschied
Sie hatte ihren eigenen Kopf und konnte wunderbar Dinge ignorieren, die sie nicht als ihre Aufgabe ansah. Dafür war sie eine treue Seele, der wir hundertprozentig vertrauten, und eine wunderbare, große Schwester für Lean. Sie blieb immer authentisch, selbstbewusst, oft hing sie stundenlang am Telefon, schrieb Gedichte, hörte Zulu-Schnulzen im Radio und nickte in der Mittagspause auf ihrem Stuhl ein. Ihr Abschied war genauso afrikanisch wie alles, was sie anfasste: Ende Dezember verkündete sie, dass vier Tage später ihr letzter Tag anbrechen würde. Sie war im neunten Monat schwanger, hatte aber den dazugehörigen Bauch über Monate vor uns versteckt – aus Angst, wir würden ihre Schwangerschaft nicht gutheißen. Natürlich waren wir einen Moment lang traurig, sie zu verlieren. Aber dass es mit dem zweiten Kind so lange gedauert hat, ist wohl der beste Beweis, dass sie ihren Job und uns genauso gemocht hat wie wir sie. In fünf Jahren ist sie zu einem Teil der Familie geworden, der uns furchtbar fehlen wird.
Text & Fotos: fuexxe