Südafrika, diese Kriminalität! Arme Schwarze, dicke Zulus, stinkende Inder und rassistische Weisse. Hier kommen die pünktlichen Deutschen und zeigen mal, wie man Autos baut und Eisbein mit Sauerkraut kocht.
In der Vorbereitung haben wir einen interessanten Versuch gestartet. Alle angehenden Entwicklungshelfer sollten zehn bekannte Vorurteile zu ihren Gastländern aufschreiben, darunter Südafrika, Burundi, Kambodscha, Osttimor, Kolumbien und Bolivien – quer über den Globus hinweg. Heraus kam eine Top-Ten-Liste, die überall fast gleich lautete. Mehr oder weniger stand darin das, was wir Deutsche nicht sind. Oder besser, was wir glauben, dass wir nicht sind. Das Lustige ist: Wir finden uns selbst ziemlich sauber, dreckig war bei den Vorurteilen gegenüber anderen Kulturen immer relativ weit oben. Die Wahrheit ist: Gegenüber der Sauberkeit der Zulus, die immer und überall aussehen wie aus dem Ei gepellt, stinken wir ziemlich ab. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Wahre und falsche Vorurteile
Vorurteile prägen unser Bild von anderen, ob wir wollen oder nicht. Es hilft, wenn Menschen das Leben in Schubladen einteilen, genau wie Personen und Kulturkreise. Und manchmal stimmt es ja auch. Wir spüren jeden Tag, wie deutsch wir sind, viel mehr als das in Deutschland der Fall war. Wenn wir etwas wollen, sagen wir es ganz direkt. Wir kommen selten zu spät und erwarten, dass der Gegenüber so handelt, wie er das vorher angekündigt hat. Unser Berufsleben endet mit dem Feierabend, und in unserer Freizeit laufen wir gerne in der Gegend herum, am liebsten in der Natur. All das ist in Südafrika nicht unbedingt „normal“. Und deshalb krachen wir, auch nach über einem Jahr, regelmässig kulturell bedingt mit unserem Gastland zusammen.
Die Menschen hier sind anders, weil sie anders aufgewachsen und sozialisiert sind, und weil andere Werte das tägliche Leben bestimmen. Dafür gibt es 1000 Beispiele, etwa das angesprochene Hygieneempfinden oder die Tatsache, dass Zeiten und Verabredungen flexibel gehandhabt werden. Einmal sind wir mit Sack und Pack bei Bekannten vor der Tür gestanden, die uns ein paar Tage vorher zum Grillen eingeladen hatten – leider war niemand zuhause. Oder Meetings auf der Missionsstation, bei denen Julia regelmässig alleine da sitzt, obwohl sie absichtlich schon eine Viertelstunde nach Beginn kommt. Und immer, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, bewerten wir mit Emotionen. „Hat der schon wieder den Termin vergessen“, „So verpeilt kann man doch gar nicht sein“ oder „Der Typ lügt doch wie gedruckt“. So füllt sich die Schublade der Vorurteile, und beim nächsten Mal gehen wir schon automatisch davon aus, dass etwas nicht klappt, obwohl wir unseren Gegenüber gar nicht kennen. Auf der anderen Seite werden uns als Deutsche automatisch Dinge zugeschrieben: Organisation, Cleverness, Präzision, Stärke, Geld. Deutsche geniessen hierzulande hohes Ansehen.
Neues für die Schublade
Das Gute am Leben im Ausland ist, dass man seine eigenen Schubladen und die der anderen täglich mit neuen Erfahrungen füllt. Man lebt mit- und nebeneinander, mit allen Unterschieden, versucht, sich anzupassen, und bekommt als Belohnung neue Horizonte. „You’re really trying here“, hat uns kürzlich ein Einheimischer gesagt. „When you’re going back, you’ll be different. Part of you will be South African.“ Er hat recht. Es gibt Dinge, die wir sehr gerne übernehmen, etwa die Lockerheit, Hilfsbereitschaft oder der unerschütterliche Glaube an das Gute. „Bevorzugt wird eine geringe Regelungsdichte“, das passt zu Südafrika, und auch da schneiden wir uns manchmal gerne eine Scheibe ab. Anderes sitzt zu tief, da werden wir uns kaum ändern. Etwa bei unserer Art der Kommunikation. „High Context: Ein Lesen zwischen den Zeilen ist für das Verständnis der Botschaft unerlässlich“, heisst es über Südafrika. Keine Ahnung, welche Botschaft das sein soll. Ich frag mal genau nach.
Text & Fotos: fuexxe