Home > Tagebuch > Eine neue Kultur > So finster die Nacht

Südafrika hat ein riesiges Energieproblem. Wenn es hier an der Ostküste abends um fünf dunkel wird, sollte man möglichst nicht mehr auf Strom angewiesen sein. Regelmäßig findet nämlich etwas statt, das man als Europäer gar nicht kennt: Load Shedding! So hat der staatliche Energiemonopolist Eskom die Strategie getauft, bestimmte Gebiete für einige Stunden vom Stromnetz zu nehmen. Ganz einfach, weil es nicht genug Energie für alle gibt. Das passiert hier in Eshowe mehrmals pro Woche, gerne zu energieintensiven Zeiten zwischen sechs und zehn Uhr abends. Als wir ins Land kamen, kannten wir noch nicht mal den Ausdruck. Inzwischen zucken wir genauso gelangweilt die Achseln wie die Nachbarn („It’s South Africa, what can you do?“) und haben die Handy-App heruntergeladen, die den Stromausfall ankündigen soll (was sie nie tut!). Dann zünden wir Kerzen an und gucken in den atemberaubenden Sternenhimmel. Das Ganze hat ja auch was Beruhigendes, Romantisches. Und man liest mehr Bücher, wie früher, mit Taschenlampe unter der Decke.

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Im Dunkeln ist gut munkeln

Interessant ist, wie sehr man seine Strategien den Gegebenheiten anpasst. Laptop und Handy sollten immer aufgeladen sein. Alltagsdinge wie Wäsche waschen oder Brot backen müssen tagsüber erledigt werden. Und das Abendessen? Naja, ist ein bißchen wie russisches Roulette. Halbgekochte Nudeln oder dreiviertelgebratenes Fleisch nerven tierisch. Man rechnet viel, schätzt seine energietechnischen Chancen ab und hat immer was Kaltes zu Essen im Kühlschrank. Lustige Situationen fördert es auch zutage. „Everyone running to Pick&Pay about candles. It’s ridiculous!“, sagte ein älterer Herr im dunklen Supermarkt, dem wir grade die letzte Packung Kerzen weggeschnappt hatten. Für aufladbare Halogenlampen mussten wir in eine größere Stadt fahren – und wurden vom Verkäufer beglückwünscht, dass wir zu den Glücklichen gehören, die welche bekommen hatten.

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Ein berühmter Satz in ganz neuem – hehe – Licht

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Die App, die nie die Wahrheit spricht

Und warum das Ganze? Die Regierung behauptet, dass das Problem eine Folge der Apartheid ist. Seit 1994 wurden viele ärmere Gegenden ans Netz angeschlossen, und wenn plötzlich viel mehr Strom gebraucht wird, dann reicht es nicht mehr für alle. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Immer noch sind 3,4 Mio. Haushalte in Südafrika abgekapselt, in Julias Arbeitsort Mbongolwane demonstrieren die Menschen regelmäßig, weil sie trotz großer Versprechungen keinen Zugang zu Strom und Wasser bekommen. Und die Politik hat das Problem jahrelang verschleppt. Südafrika ist abhängig von Kohle, langfristige Alternativen wurden nicht in Angriff genommen. Die meiste Energie (fast 60 Prozent!) geht außerdem für Großindustrie wie Gold- und Diamantenminen drauf – und an die verkauft die staatliche Eskom den Strom so billig, dass sie selbst draufzahlt. Gleichzeitig sollten die Preise für Privatleute jüngst um 25 Prozent erhöht werden, was glücklicherweise gestoppt wurde. Und, leider auch: Wo die Menschen Strom haben, herrscht keinerlei Bewusstsein. Überall laufen kleine Stromfresser-Elektroöfen, es ist Festbeleuchtung angesagt. Load Shedding wird uns also noch eine Weile begleiten, zumindest bis…………. (Zappenduster)

Bilder/Grafiken: fuexxe/parfyme

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