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In der Weihnachtszeit ist ein alter Bekannter wieder aufgetaucht: Load Shedding. An manchen Tagen fällt der Strom für mehrere Stunden aus.

Wenn es dunkel wird, erwacht der Galgenhumor. „Was ist der Unterschied zwischen Südafrika und der Titanic? Als die Titanic unterging, waren die Lichter noch an!“ Wie so oft nehmen die Menschen in diesem Land mit einem Lächeln hin, was sie sowieso nicht ändern können. Seit zwölf Jahren sucht nämlich ein Drache namens Load Shedding ihr Land heim: Staatlich verordnete Stromausfälle, um die nationale Energieversorgung am Laufen zu halten. Verantwortlich ist der Energieversorger ESKOM, der immer tiefer im Sumpf von Korruption und Misswirtschaft versinkt. Die Rechnung zahlen die Menschen in Südafrika. Konservativen Schätzungen zufolge haben die Stromausfälle das Land in diesem Jahr 8,5 Milliarden Rand gekostet – mehr als eine halbe Milliarde Euro.

 

 

Autobatterien beim Zahnarzt

Man muss sich das so vorstellen: Morgens, nach dem Aufstehen, checken wir als Erstes die angekündigten Ausfälle des Tages. Ein typischer Tag im Dezember hat von 6 Uhr bis 8:30 Uhr, 12 bis 14:30 Uhr und 20 bis 22:30 Uhr keinen Strom. Das bedeutet: Kein Internet. Kein Computer. Kein Wasser, weil die Pumpe nicht funktioniert. In Supermärkten schmelzen die Produkte in den Kühlregalen. Kunden bewegen sich mit Handylampen durch die Gänge. Büros stehen still, man kann überall nur bar bezahlen. In Zahnarztpraxen stehen Autobatterien und ein Generator, damit Onkel Doktor beim Bohren nicht der Saft ausgeht. Ampeln funktionieren nicht. Auf vierspurigen Straßen in Durban stellen sich ganz normale Leute zwischen die Autos und regeln den Verkehr.

Load Shedding: Der unbesiegbare Drache

Als wir vor vier Jahren hierher kamen, steckte das Land mitten in einer solch dunklen Phase. Doch von einem Tag auf den anderen war alles vorbei, wie von Zauberhand. Kurzzeitig sah es so aus, als hätte der Staat Lösungen gefunden. Stromausfälle gab es nicht mehr, der Drache Load Shedding schien besiegt. Aber seitdem ist das Ungeheuer immer wieder zurückgekehrt, oft schlimmer als je zuvor. Im Dezember gab es teilweise sechs Stunden am Stück keinen Strom. Die Handynetze brachen zusammen. Erstmals in der Geschichte des Landes wurde Stage 6 Load Shedding verkündet; das bedeutet mindestens vier Mal pro Tag für zweieinhalb Stunden Stromausfall. Bislang waren Stage 1 oder 2 die Norm.

Zwölf Jahre Stromchaos

Laut Präsident Cyril Ramaphosa war unter anderem Sabotage bei der ESKOM für den Energienotstand im Dezember verantwortlich. Außerdem habe das Hochwasser in Teilen des Landes zum Zusammenbruch beigetragen. Aber all das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es der Politik seit 2007 (!) nicht gelingt, das Chaos in den Griff zu bekommen. Zwar wird ein paar Managern jedes Mal öffentlichkeitswirksam der Urlaub gestrichen. Aber das Problem bei der Wurzel packen? Fehlanzeige! Noch immer ist schmutzige Kohle für 85 Prozent der Energie in Südafrika verantwortlich, während erneuerbare Energien in den Kinderschuhen stecken. Mit dem Solarprojekt im Kinderheim sind wir Early Adopter in Sachen saubere Energie. Und wenn es wieder dunkel wird? Zünden wir eine Kerze an und üben Galgenhumor. „Was haben Südafrikaner verwendet, bevor sie Kerzen benutzten? Strom!“

Text & Fotomontagen: fuexxe/Facebook

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