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Nguni-Kühe sind eine wichtige Währung im Zululand. Sie zeigen den Wohlstand eines Mannes, man braucht sie zum Heiraten, für traditionelle Feste und als Mittler zu den Ahnen.

Die Schönheit eines Mannes sind seine Kühe, sagt ein Zulu-Sprichwort. Gemeint sind natürlich Nguni-Kühe, die im südlichen Afrika das Maß aller Dinge sind. Milchkühe wie in Deutschland gibt es kaum; stattdessen dominieren Schlachtvieh und Zuchtkühe. Traditionell spielen sie eine große Rolle innerhalb der Kultur, denn je mehr von den Tieren jemand besitzt, umso höher sind Wohlstand, Macht und gesellschaftlicher Status. Die große Bedeutung erkennt man auch daran, dass die Sprache isiZulu unzählige Bezeichnungen für Nguni-Rinder mit ihren weißen, schwarzen, braunen und grauen Schattierungen, Mustern und Hörnern kennt: „Eier der Lerche“, „Fliege in der Buttermilch“, „spuckende Kobra“, „weißer Streifen“, „Rizinusöl-Bohne“ und „Fischadler“ sind nur einige Beispiele.

 

 

 

 

Wie viele Nguni ist eine Frau wert?

„Zulu-Männer lieben ihre Kühe mehr als ihre Ehefrauen“, hört man oft. Zumindest bei der Hochzeit kann das nicht stimmen: Der offizielle Brautpreis für eine Frau beträgt elf Kühe, umgerechnet etwa 7000 Euro. Die lobola ist fester Bestandteil der Gesellschaft, ohne Bezahlung findet keine Eheschließung statt. Allerdings einigen sich die meisten Familien heutzutage auf deutlich weniger Geld, um sich die Hochzeit überhaupt leisten zu können. Hat die Frau uneheliche Kinder, müssen weniger Kühe bezahlt werden. Je edler das Blut der Frau, umso höher der Preis. Für eine Prinzessin aus der royalen Familie des Zulu-Königs Goodwill Zwelithini wurden einst mehr als hundert Kühe bezahlt. Kompliziert wird es bei einer Scheidung. Die Ex-Frau muss die bezahlten Kühe an die Familie ihres ehemaligen Manns zurückerstatten. Allerdings abzüglich einer Kuh für jedes Kind, das sie während der Ehe geboren hat.

Schwarzes Herz vom Rindersteak

Die ganze Liebe zu ihren izinkomo (Kühe) hält Zulus nicht davon ab, sie ständig und überall zu essen. Rindfleisch wird in ungesundem Maß auf den braai gehauen, die Innereien der Kuh gelten als Delikatesse. Wenn sie viel Fleisch gegessen haben, sagen Zulus, bekommen sie ein „schwarzes Herz“. Das passiert oft: Zu allen wichtigen Festen – Hochzeiten, Beerdigungen, kulturelle Feiertage – werden Kühe eigenhändig geschlachtet, sofern die Familie es irgendwie finanzieren kann. Dieses Ritual geht unter anderem darauf zurück, dass im Zulu-Glauben Kühe in der Mitte zwischen den Lebenden und der Welt der Geister stehen. So können die Ahnen bei wichtigen Anlässen nah bei der Familie sein. Außerdem steigt das eigene Ansehen, wenn man Kühe schlachtet. Oft gibt es für Zulus kaum etwas Wichtigeres, als den eigenen Wohlstand für alle sichtbar zur Schau zu stellen.

Lebendes Bankkonto Nguni

Traditionell werden alle Teile der Kuh verwendet. Nicht nur als Nahrung, sondern auch für Schmuck, Kleidung oder als Brennstoff. Die saure Milch einer Kuh darf nur innerhalb der Familie geteilt werden. In einem traditionellen Zulu-Kraal ist der Kuhstall das Zentrum, und alle Türen zeigen in Richtung der Tiere. Kühe sind in der Zulu-Kultur aber nicht nur Statussymbole, sondern echte Wertanlagen. Auch wir haben – der lokalen Tradition folgend – ein paar Kühe gekauft, die friedlich auf der Farm eines Bekannten herumgrasen und hoffentlich viele Nachkommen zeugen. Schließlich wollen wir früh mit dem Sparen beginnen, um irgendwann mal lobola für die künftige Frau unseres Sohnes bezahlen zu können.

„Sorry for cows on the road“

Eines allerdings verstehen wir bis heute nicht: Warum so viele Kuhbesitzer auf dem Land ihre Tiere in der Nähe von Straßen herumlaufen lassen. Ob Feldweg, Schnellstraße oder Autobahn. „Sorry for cows on the road“ schrieb uns eine Bekannte, als sie den Weg zu ihrer Farm beschrieb. In Anbetracht des explodierenden Verkehrs leben viele Nguni-Kühe brandgefährlich. Dabei sind sie oft das Wertvollste, was eine Familie besitzt. Das Risiko ist groß. Ein ungeschriebenes Gesetz besagt nämlich, dass bei Unfällen der Besitzer der Kuh verantwortlich ist – und nicht der Fahrer des Autos. Der darf das angefahrene Viech sogar mitnehmen.

Text & Fotos: fuexxe, Flickr

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