Home > Tagebuch > Everyday Life > Der lange Schatten der Apartheid

Ein Friedensnobelpreisträger gießt Öl ins Feuer der Rassenkonflikte in Südafrika. Wieder einmal stehen Hautfarben im Mittelpunkt, anstatt sich den aktuellen Problemen des Landes zu widmen.

Eigentlich müsste Südafrika feiern. Vor 30 Jahren, im Februar 1990, wurde Nelson Mandela aus dem Gefängnis entlassen. Dieser Schritt war der Anfang vom Ende der Apartheid, einem System der Rassentrennung und Unterdrückung aller Menschen dunkler Hautfarbe. Ein wichtiges Jubiläum in diesen stürmischen Zeiten, in denen es unter der Oberfläche der Gesellschaft brodelt, weil Armut, Korruption und Misswirtschaft überhand nehmen. Und dann das: In einem Interview erklärt der letzte weiße Präsident, Frederik Willem de Klerk, dass er die Apartheid „nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezeichnen würde.

Frederik Willem de Klerk

Ein Fest für Populisten

Klar, dass dieser Satz einen Sturm der Entrüstung auslöst. Die Populisten vom EFF, ganz vorne Julius Malema, sorgen für chaotische Szenen im Parlament und fordern, de Klerk auszusperren, weil sie nicht mit einem Mörder im selben Raum sitzen wollen. In den Tagen darauf schwappt Wut über das ganze Land, angetrieben von Social-Media-Attacken, politischen Opportunisten und hilflosen Versuchen von de Klerk, seine Aussagen zu verteidigen. Erst in einem zweiten Statement und unter immensem Druck knickt er ein und entschuldigt sich für seine „völlig unangemessene“ Wortwahl.

Apartheid: „The old days“

Mit seiner Schönfärberei der Vergangenheit ist de Klerk leider nicht alleine. Unter Weißen spricht man von der Zeit vor 1994 gerne als „the old days“, meist mit positivem Unterton. Damals habe immerhin noch alles funktioniert, es gab kein Load Shedding und keine korrupten Politiker, der Rand war noch etwas wert und die Kriminalität längst nicht so schlimm. Und heute? Sind alle frei, die Schwarzen regieren das Land, sieht man doch, was dabei herauskommt. „This country is going down!“ Klar, die Apartheid war falsch, aber jetzt sei es „time to move on“. Es gebe schließlich dringendere Probleme als die Vergangenheit. Zum Beispiel die wachsende Armut, Korruption und die Schwäche der Wirtschaft.

Südafrikanisches Parlament

Julius Malema

Julius Malema, EFF

Apartheid 2.0

Viele Weiße waren Kinder, als die Apartheid zu Ende ging. Sie glauben daran, unschuldig an den furchtbaren Verbrechen dieser Ära zu sein. Aber noch immer ernten sie (und ihre Kinder) die Früchte der Vergangenheit: Finanzielle Sicherheit, Häuser, Autos, gute Bildung. „Viel zu viele weiße Südafrikaner…bestreiten nach wie vor den Horror der Apartheid“, sagt Verfassungsrechtler Pierre de Vos. „[Sie] weigern sich zuzugeben, dass sie oder ihre Eltern aktiv oder stillschweigend das System unterstützt haben und immer noch von den Vorteilen zehren, die dieses System ihnen ermöglicht hat.“ Tatsächlich ist die Apartheid (zumindest auf dem Land) noch immer sichtbar: Weiße Großgrundbesitzer, schwarze Tagelöhner, weiße Chefs, schwarze Hausangestellte. Die einen arbeiten als billige Arbeitskräfte, die anderen führen ein privilegiertes Leben.

Kein Öl ins Feuer

Nun können Wohlstand und Wissen nicht von heute auf morgen umverteilt werden. Und die meisten arbeiten lieber für Billiglöhne, als gar keinen Job zu haben. Wahr ist auch, dass viele staatliche Institutionen, Krankenhäuser und Schulen nach 25 Jahren schwarzer Herrschaft in katastrophalem Zustand sind. Aber man darf von einem Friedensnobelpreisträger und ehemaligen Präsidenten erwarten, sensibel mit der schwierigen Vergangenheit dieses Landes umzugehen – und kein Öl ins Feuer der Rassenkonflikte zu gießen. Genauso wie man von den Führern des Landes verlangen darf, gegen die grassierende Armut zu kämpfen, anstatt sich klischeehaft ständig selbst die Taschen vollzumachen.

Text: fuexxe, Fotos: United Nations, GovernmentZA, Nagajun, fuexxe

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