Seit heute befindet sich auch Südafrika im Lockdown, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen. Dabei geht es noch strenger zu als in Deutschland.
„May God protect our people“, hat Präsident Cyril Ramaphosa in einer Rede ans Volk gesagt. Zuvor verkündete er einen strengen Lockdown, der ab heute 21 Tage lang für das gesamte Land gilt. Jeder muss zuhause bleiben, es ist verboten, spazieren zu gehen, zu joggen oder den Hund Gassi zu führen. Schulen und öffentliche Einrichtungen sind sowieso seit über einer Woche geschlossen. Auf die Straße darf man nur, um Lebensmittel zu kaufen, Geld zu holen oder sich medizinisch versorgen zu lassen. Nur, wer in der Basisversorgung (Strom, Wasser, Medizin, Banken, Lebensmittel) arbeitet, darf weiterhin raus und bekommt einen Passierschein. Überwachen sollen diese Regeln die Polizei und das Militär, das der Präsident in den vergangenen Tagen mobilisiert hat.
Strenger Hausarrest
Damit ist der Hausarrest deutlich strenger als in europäischen Ländern wie Deutschland, obwohl die Fallzahl (aktuell: 927 Infizierte) geringer ist. Erst heute wurden die ersten beiden Todesfälle bestätigt. Aber das Corona-Virus bedroht Südafrika stärker als andere Länder. Ein Großteil der Bevölkerung ist arm und kann sich nicht mal den Transport in ein Krankenhaus leisten. Selbst wenn: Das Gesundheitssystem ist chronisch überlastet, nur etwa 3000 Betten stehen landesweit für die Intensivpflege bereit. Außerdem ist die Zahl der Vorerkrankungen riesig, zum Beispiel HIV und Tuberkulose. In großen Townships in Johannesburg, Kapstadt oder Durban kommt die verheerende hygienische Situation dazu: Kein fließendes Wasser, aber dafür unglaublich viele Leute auf einem Fleck. Hier liegt die Brutstätte für ein Desaster, mit unkontrollierbaren Folgen für das ganze Land.
Corona: Das Virus der Weißen
Auch ländliche Gebiete wie Mbongolwane sind ein Problem. Um einzukaufen, werden die Menschen sich weiterhin in enge Taxis quetschen, um zu Supermärkten zu kommen. Von Mindestabstand oder ständigem Händewaschen kann keine Rede sein. Außerdem nehmen viele das Corona-Virus nicht ernst, verspotten es als Krankheit der Weißen und fühlen sich unverwundbar. Auch uns wurde schon mehrfach „Corona“ hinterher gerufen, weil das Virus zu Beginn vor allem weiße Menschen betraf, die von Reisen aus China oder Europa zurückkamen. Selbst jetzt, während dem Lockdown, pfeifen viele Menschen auf die strengen Regeln. Das gilt auch für Vorbilder: Ein ländlicher Pfarrer hat mir gegenüber noch vor wenigen Tagen betont, er werde seine Kirche entgegen aller Anweisungen nicht schließen.
Nicht Hals über Kopf fliehen
Julia arbeitet seit einigen Tagen im Home Office. Zuvor wurde im Kinderheim ein spontanes Notfallprotokoll aufgestellt, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Gestern hat nun auch unser Golf Estate die Regeln nochmal deutlich verschärft: Spaziergänge, Sport und jegliche Bewegung draußen sind während des Lockdowns verboten. Es fühlt sich seltsam an, zu wissen, dass wir selbst in einer Krisensituation nirgendwo hin könnten. Die Grenzen ins Ausland sind auf absehbare Zeit geschlossen, Flüge gibt es nicht mehr. Andererseits sind wir froh, bleiben zu können und nicht Hals über Kopf nach Hause zu müssen. Das hätte nämlich bedeutet, unser Leben einfach stehen und liegen zu lassen, unser Kind aus der Schule zu nehmen, uns nicht von Freunden verabschieden zu können. Einer deutschen Freiwilligen, die über das Programm weltwärts in Mbongolwane war, ist es so ergangen: Sie wurde zurückgerufen und hat es buchstäblich in letzter Minute geschafft, in einen Flieger nach Deutschland zu steigen.
Überfüllte Straßen vor dem Lockdown
Drei volle Tage sind zwischen der Ankündigung und dem Beginn des Lockdowns vergangen. Leider muss man davon ausgehen, dass sich das Virus in dieser Zeit erst recht ausgebreitet hat. Weil sich jeder auf die Isolation vorbereiten wollte, waren Straßen und Supermärkte überfüllt wie sonst nur vor Weihnachten. Trotzdem machen Präsident Ramaphosa und seine Regierung während der Krise eine gute Figur; sein entschiedenes Handeln schafft Vertrauen und Zuversicht unter den Menschen. Allerdings mag man sich nicht vorstellen, wie die Menschen reagieren werden, wenn ihnen das Geld ausgeht und die Versorgung stockt. Oder das sowieso schon schwache Stromnetz ausfällt. Die Sicherheitslage in Südafrika, speziell im Zululand, ist nicht planbar. Das schafft Ängste – auch bei uns.
This too, shall pass
Vorerst aber überwiegt die Hoffnung, trotz Hausarrest und Horrorszenarien, die via Whatsapp die Runde machen. Mal sehen, wie wir uns nach einer oder zwei Wochen in unserer Golfplatzzelle fühlen. Aber erstens gibt es viele Menschen in Südafrika, die unter viel härteren Bedingungen im Lockdown stecken, in Lehmhütten auf dem Land oder Wellblechhäusern in den Townships. Zweitens hilft es, ruhig zu bleiben. This too, shall pass!
Text & Fotos: fuexxe, GovernmentZA, Ryan Faurie
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