
Weiße sind im Zululand eine kleine Minderheit – aber die meisten von ihnen leben am oberen Ende der Gesellschaft.
Nur vier Prozent der Bevölkerung in KwaZulu-Natal hat – wie wir – weiße Hautfarbe. Vor dem Gesetz sind alle gleich, doch die Realität sieht anders aus, besonders auf dem Land. Die meisten Schwarzen sind arm, die meisten Weißen gehören zur Mittel- und Oberschicht. Und egal, wie sehr wir gegen Armut kämpfen und helfen wollen: Auch wir leben in dieser Realität, und zwar auf der Sonnenseite. Laut dem Gini-Index, der die Wohlstandsverteilung eines Landes misst, ist Südafrika das Land mit der größten Ungleichheit weltweit. Ein weißes Baby hat hierzulande von Geburt an deutlich größere Chancen als ein schwarzes Baby.
Fünf Gründe, warum das (immer noch) so ist – und vorerst keine Änderung in Sicht ist.
1. Vererbter Reichtum
In weißen Familien haben Großeltern häufig Land gekauft, Häuser gebaut und Unternehmen gegründet – zur Zeit der Apartheid, als nur sie es durften. Mit diesem Geld haben die Eltern heutiger Kinder gute Schulen besucht, während schwarze Familien diese Starthilfe nicht haben. Die Chance, sich durchzusetzen, ist entsprechend kleiner. Junge Menschen brauchen Hilfe beim Start ins Leben, nicht nur Geld, sondern auch soziales Kapital. Als Weißer hat man eher Zugang zu wohlhabenden Bekannten und Unternehmen, die im Notfall einen Schub in die richtige Richtung geben können. Soziales Kapital hat aber auch andere Aspekte: Der Laptop der Eltern, den man für die Uni benutzt. Das Telefonbuch mit wichtigen Nummern, der richtige Geschmack oder der passende Humor, wenn man wichtigen Leuten gegenübersitzt.
2. Frühkindliche Entwicklung
Gebildete Eltern wissen, was gut für Ihre Kinder ist. Das gilt für die richtige Ernährung, aber auch die Förderung motorischer oder kognitiver Fähigkeiten in frühester Kindheit. Wenn man schon im Kindergartenalter ein paar Schritte Vorsprung hat, ist es im späteren Leben leichter. Dabei können weiße Kinder nichts dafür, dass ihre Eltern sie fördern und auf ihre Ausbildung und Entwicklung achten. Obwohl sie selbst noch keinen Finger gerührt haben, sind sie bereits auf dem richtigen Kurs in Richtung Zukunft. Die ersten fünf Jahre im Leben eines Menschen haben großen Einfluss auf das, was danach kommt. Und da haben weiße Kinder in Südafrika deutliche Vorteile – vor allem aufgrund des formalen Bildungsstands ihrer Eltern.
3. Afrikanische Gelbwesten
Klar, als Weißer wird man in einer schwarzen Umgebung manchmal seltsam beäugt, ungläubig angeguckt, angefasst – wir können ein Lied davon singen. Das Ganze ist aber kein Vergleich zur gegenteiligen Situation: Schwarze, die sich in weißen Milieus in Südafrika aufhalten. In Restaurants, Clubs oder Schulen sind sie entweder Personal oder gelten als Außenseiter. Teilweise werden sie behandelt, als ob von ihnen eine nicht näher definierbare Bedrohung ausgeht. Wir wohnen auf einem Golf Estate. Dort müssen schwarze Angestellte draußen eine gelbe Weste tragen, um zu zeigen, dass sie auf dem Gelände arbeiten. Weiße hingegen – egal, ob Angestellte oder Besucher – müssen nichts anziehen, um sich auszuweisen.
4. Das Kreuz mit der Familie
Kürzlich erzählte mir ein weißer Vater stolz, dass sein Sohn einen gut dotierten Job gefunden hat. Zur Feier dieses Erfolgs lud er ihn zu einem tollen Abendessen ein. In afrikanischen Familien ist die Situation komplizierter. Hat es ein Kind schwarzer Eltern in eine geregelte Arbeit geschafft, stellen sich oft ganz andere Fragen. Von ihm wird erwartet, den Rest der Familie finanziell zu unterstützen, manchmal sogar Menschen, die mit dem eigenen Leben nur entfernt etwas zu tun haben. Oft sollen sie ihre Position nutzen, um Familie und Freunde in Lohn und Brot zu bekommen – übrigens einer der Gründe, warum die Korruption in diesem Teil der Welt so wuchert. Individuell sein Glück zu machen, ist für Schwarze deutlich schwieriger als für Weiße.
5. Das Versagen der Politik
Anfang 2019 lobte sich die Regierungspartei ANC wieder einmal selbst dafür, dass die schwarze Mittelschicht wächst. Tatsächlich aber werden vor allem die Taschen von Politikern und Staatsdienern dicker – die Korruption blüht! Für die Mehrheit armer Südafrikaner hat sich in den vergangenen 25 Jahren nichts zum Guten verändert. Ihre Kinder sind schlecht ausgebildet und finden keinen Job. Anstatt, dass der Staat voll auf Bildung setzt und sein Geld in Schulen und die Ausbildung von Lehrern steckt, ist die Qualität der Bildung auf dem Land schlechter denn je. Genau dort, wo der schwarze Bevölkerungsanteil 100 Prozent beträgt. “If we are to break the cycle of poverty, we need to educate the children of the poor“, sagt Präsident Cyril Ramaphosa. Schöne Worte, aber es fehlen die dazugehörigen Taten.
Text & Fotos: fuexxe