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King Goodwill Zwelithini, mehr als 50 Jahre Herrscher der Zulus, ist tot. Die Tage rund um seine royale Beerdigung werden uns aus mehreren Gründen in Erinnerung bleiben.

Der König ist tot, lang lebe der König: King Goodwill Zwelithini kaBhekuzulu, Herrscher über elf Millionen Zulus, ist an „Komplikationen in Zusammenhang mit Covid-19“ gestorben. Der 72-jährige war Diabetiker und gehörte zur Risikogruppe. 50 Jahre lang übte er sein Amt aus, vor allem zeremoniell, also ohne echte Macht. Trotzdem hatte sein Wort bei Politikern und Volk Gewicht. Während seiner Amtszeit fiel im Jahr 1994 das Apartheid-Regime. Später bestand seine Hauptaufgabe im schwierigen Übergang der traditionellen Zulu-Kultur in die Moderne. Für die einen war er ein rückständiger Vertreter einer patriarchalischen Kultur. Für die anderen ein gottgleicher Herrscher, der aus der direkten Blutlinie des berühmten Zulukönigs Cetshwayo stammte. Wichtigstes Ziel seiner Regentschaft war es, die kulturelle Identität der Zulus zu bewahren. Wenn man so will, war er selbst ein gutes Vorbild für Tradition: Er hinterlässt sechs Frauen und 28 Kinder.

Krieger mit Leopardenfellen

Unter traditionellen Zulus herrschte nach seinem Tod Volkstrauer. Die südafrikanischen Flaggen in Eshowe wehten auf Halbmast. Eine katholische Schwestern in Mbongolwane verzichtete auf Essen und Trinken, um sich ganz ihrer Trauer zu widmen. Und seine Beerdigung wurde zum Spektakel: Mehr als 20.000 Menschen pilgerten zum Palast nach Nongoma, um den König auf seiner letzten Reise zu begleiten. Darunter die amabutho, Zulu-Krieger mit Leopardenfellen, sowie junge Mädchen in traditionellen Perlengewändern. Eine der umstrittensten Entscheidungen des Königs war, 1991 die royale Reed-Dance-Zeremonie (umhlanga) wieder einzuführen: Einmal pro Jahr machen sich mehr als 30.000 jungfräuliche Mädchen aus dem ganzen Zululand zum Palast des Königs auf, um in traditionellen Gewändern für ihn zu tanzen. Theoretisch kann er dabei auch ein Mädchen als Braut auswählen.

Das Feiern des Todes

Die Zeremonien rund um den Tod des Königs verraten viel über die Zulu-Kultur. So spricht man nicht von einer Beerdigung, sondern vom Pflanzen eines Samens (ukutshalwa). Sein Abschied wird als Übergang ins Reich der Ahnen verstanden, wo er Generationen von früheren Zulu-Herrschern treffen wird. Der Respekt vor diesem Reich ist auch der Grund, warum Zulus für europäische Maßstäbe so „locker“ mit dem Tod umgehen – und ihn häufig mit Gesängen und Tanz feiern. Trauer muss im Zululand nicht traurig sein: Die sterblichen Überreste des Königs werden mit Gesängen in den Himmel begleitet, wo er weiterhin das Schicksal seines Volkes mitbestimmen und lenken wird. Manche Trauernde in Nongoma hatten lebende Kühe als Tribut für ihren König mitgebracht – keine Zulu-Party kommt eben ohne Fleisch und rituelle Schlachtungen aus. Wie wichtig das richtige Essen und die Bewirtung der Gäste zu besonderen Anlässen ist, können wir auch in Mbongolwane immer wieder beobachten.

Royales Superspreader-Event

Vor allem aber hat die Beerdigung gezeigt, dass in der südafrikanischen Gesellschaft nicht immer mit gleichem Maß gemessen wird – obwohl laut Verfassung alle gleich sein sollten. Inmitten der Corona-Pandemie trafen sich Tausende Menschen ohne Masken oder Sicherheitsabstände, unter ihnen alles, was in der südafrikanischen Regierung Rang und Namen hat. Vom Gesundheitsminister („Die königliche Familie hat ihr Bestes getan, um die Auflagen zu erfüllen“) über den Polizeiminister („Jeder Verstoß wird hart und konsequent verfolgt“) bis hin zu Präsident Cyril Ramaphosa („Wir alle müssen unser Verhalten ändern“) waren alle da. Frei nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Tatsächlich war die Beerdigung des Königs ein Superspreader-Event, das manche schon als Auftakt zur dritten Welle in Südafrika kennzeichnen.

Text & Fotos: fuexxe, flickr, Reinhard Harzenberg

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