Zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren sind wir für zwei Wochen nach Deutschland gereist. Dort haben wir gelernt, dass Heimat nicht gleich Heimat ist.

Deutschen Boden zu betreten war seltsam. Ein bißchen so, als ob man nach langer Zeit in sein Kinderzimmer zurückkehrt. Ungewohnt am Anfang, aber dann findet man längst vergessene Dinge, sieht vertraute Bilder an der Wand, und im Schrank findet man seinen Lieblingspulli, der furchtbar aussieht, aber genauso bequem ist wie immer. Man kennt jede Ecke, jede Geschichte, jeden Fehler. Und was einen früher genervt hat, ist plötzlich eine charmante Erinnerung. Die Leute sehen aus wie immer, der Bäcker, der Nachbar, Freunde und die Familie. Manche haben ein paar Haare weniger auf dem Kopf, rauchen nicht mehr oder haben eine Plautze. Aber wenn man mit ihnen spricht, fühlt man sich, als sei man nie weg gewesen. Man redet nicht über die großen Dinge, sondern über alltägliche Sachen. Der Job, die Kinder, der Hund, der Kredit fürs Haus, die Flüchtlinge. Und wann kommt ihr eigentlich aus Afrika zurück?

Nach wenigen Tagen hatten wir das Gefühl, wieder drin zu sein. Deutschland wird immer unsere Heimat bleiben, in der wir alles kennen und verstehen und wissen, wie die Welt funktioniert. Wir hatten erwartet, mit vielen Dingen zu fremdeln, aber nicht doch: Es fühlte sich gut an, Tourist in der eigenen Heimat zu sein. Wir haben Bier getrunken, Brezen und Bergkäse gegessen, Spargel, Schnitzel, Seele und Schokolade. Nie schmeckt das Zeug so gut, als wenn man es Ewigkeiten nicht gehabt hat. Fast jeden Tag haben wir mit unserer Familie verbracht, Freunde getroffen, Taufe gefeiert, Geburtstage zelebriert. Wir haben am Bodensee Bier getrunken und sind in Weinbergen am Rhein flaniert. Und dann war auch noch das Wetter perfekt: Der Mai ist ein guter Monat, um in Deutschland Urlaub zu machen.

Das Beste war, dass wir selbst die deutschen Problemzonen weglächeln konnten. Bei der Ankunft am Flughafen kam der Grenzbeamte mit genervter Miene aus seinem Kabuff, zeigte auf uns am Ende der Schlange und brummte: „Loss’ns amol des Kind vor, des is wahrscheinlich am best’n für olle.“ Im Zug unterhielten sich drei ältere Damen neben uns über Neger, genauer gesagt über einen Schwarzen, der mit einer ihrer Töchter in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan war. „Das war für den scho ein bissl viel, weil, da in Afrika gibt’s ja keine Kultur.“ Überhaupt waren die Reisen mit der Deutschen Bahn ein Crashkurs in Sachen deutsche Mentalität. Ausgeprägte Hetze gehört dazu, und natürlich das genervte Gesicht, wenn jemand nicht ordnungsgemäß weiterläuft, seinen Koffer nicht vernünftig verräumt oder sich zu laut mit dem Nachbarn unterhält. Ein Mann flüchtete beim Anblick unseres Kindes sogar aus dem Abteil.

Trotzdem waren wir überrascht: Wir hatten die Deutschen längst nicht so freundlich in Erinnerung, wie sie letztendlich waren. Gut, wer die Servicehölle Zululand kennt, freut sich schon, wenn im Restaurant überhaupt ein Kellner kommt. Aber fast überall erwiderten die Leute unser Lächeln, und selbst der Grenzbeamte beim Abschied nahm sich Zeit für einen Schwatz. Irgendwie waren die zwei Wochen ein echter, klassischer Urlaub: Man sieht die vielen positiven Dinge, und der graue Alltag bleibt schön im Hintergrund. Südafrika haben wir überhaupt nicht vermisst. Und doch hat es sich gut angefühlt, wieder zurückzukommen.

Am ersten Arbeitstag wollten wir in Eshowe eine große Bestellung fürs Kinderheim St. Joseph abholen, die wir vor vielen Wochen bei Sheet Street gemacht hatten. Es ging um Bettwäsche und Decken für 30 Kinder, und natürlich waren die falschen Größen und Farben gekommen. Dann eben rote Schmetterlinge, seufzten wir und zückten den Geldbeutel. Die Gesamtsumme, inklusive Discounts, Anzahlungen und Größenunterschieden war allerdings ziemlich kompliziert auszurechnen, wie es schien. Morgens um acht waren wir zum ersten Mal da, mittags um eins das dritte Mal. Als endlich alles fertig war, fiel der Strom aus. Die Kasse war tot, und die Verkäuferin sah uns mit einem Lächeln an. „Sorry! Can you come back later?“ TiA, This is Africa. Wir mussten lachen.

Text & Fotos: fuexxe

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