Home > Tagebuch > Eine neue Kultur > Ein Tag in Mbongolwane

An einem durchschnittlichen Arbeitstag schälen wir uns um sechs Uhr aus dem Bett. Das ist ganz schön früh, aber längst nicht so früh wie bei den Schwestern in Mbongolwane, die schon um vier Uhr morgens ihr erstes Gebet sprechen. Die Tage in Südafrika beginnen im Morgengrauen, weil es zwischen fünf und sechs Uhr abends schon wieder dunkel wird. Und die Fahrt durch die südafrikanische Pampa bis Mbongolwane dauert schließlich auch eine Dreiviertelstunde.

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…kann ja jeder sagen

Jeder Tag im Kinderheim St. Joseph ist ein bißchen anders. Eigentlich ist das die wichtigste Lektion überhaupt: Man kann sich morgens nie sicher sein, welche Erlebnisse man abends hinter sich haben wird. Oft fahre ich die steinige Schotterpiste zum Kinderheim hinauf und bin Minuten später von einer Traube von Kindern umgeben, die an mir hängen wie kleine Äffchen. Das sechsmonatige Baby hat volle Windeln, der behinderte Achtjährige im Rollstuhl schreit, die Kleinkinder rennen im Dreieck und fangen im Wechsel an zu weinen. Wenn alle Mitarbeiterinnen da sind, ist dieses Chaos beherrschbar, aber es gibt Tage, an denen ich spontan einspringen muss, weil… Naja, es gibt hier immer einen Grund, warum das, was gestern besprochen wurde, plötzlich hinfällig ist.

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Im Dschungel

Eigentlich bin ich nicht als Kinderpflegerin dort, sondern soll als Pädagogin Struktur in die Abläufe im Kinderheim bringen – und die Mitarbeiterinnen schulen. Ich plane wöchentliche Meetings im Team, überlege mir neue Spiele und Aktionen im Freien und versuche, Therapie-Sessions in die Praxis umzusetzen. Manchmal muss ich auch mal eben Fundraising-Projekte betreuen, zum Sozialamt nach Ulundi fahren oder die Wände farbenfroh gestalten. Ich habe große Freiheiten, wie ich meine Arbeit mache, keiner erteilt mir Arbeitsaufträge oder macht Pläne über den morgigen Tag hinaus. Trotzdem versuche ich ganz langsam, Strukturen aufzubauen – zum Beispiel Dienstpläne erstellen oder die interne Kommunikation verbessern.

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Reifenpanne

Im Alltag laufen Dinge trotzdem meistens anders als gedacht. Die Kinder aus der Schule abzuholen übernehme zum Beispiel manchmal ich, weil der dafür angestellte Fahrer grade nicht auffindbar ist. Dann turnen sieben Kinder im Auto herum, als ob sie beim Sportturnier wären. Da wird jeder Knopf gedrückt und jeder Schalter umgelegt, da wird sich aus dem Fenster gelehnt und das Radio bis zum Anschlag aufgedreht. Vollbremsungen für Kühe auf der Straße sind da nicht so angesagt, und den Ausdruck „Hlala panzi!“ (Setz dich hin!) spreche ich inzwischen perfekt aus.

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Schulbus Scharnagl

Mit den Schwestern Mittag zu essen, bringt dann zwischendurch ganz neue Aspekte: Da wird über den Nachbarn gesprochen, der seine Ziegen nicht im Zaum halten kann, oder über den Heiler aus dem nächsten Ort, der einen Mord begangen hat. Manchmal wird einfach nur zusammen gelacht, z.B. über meine verzweifelten Versuche, das Essen auf Zulu zu loben oder über die fünf Esslöffel Zucker, die die Schwestern in ihren Tee schippen. Diese Mittagessen sind mir heilig, und sie helfen, Vertrauen aufzubauen. Am Nachmittag bleiben mir dann noch ein paar Stunden Zeit, bevor ich mich auf den Heimweg machen muss. Da können meine theoretischen Planungen in die Tat umgesetzt werden. Wenn nicht grade die Praxis dazwischen funkt.

stjoseph

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Alle Fotos: fuexxe

 

 

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