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Neues Jahr, alte Probleme: Der Umgang mit afrikanischen Behörden ist wie eine schlechte Komödie, in der wir selbst die Hauptrolle spielen.

Wlodek G. ist ein wichtiger Mann. Als wir ihn endlich am Telefon haben, ist er in Eile, Meetings in Pretoria. Nur schnell eine Frage, sage ich, wir versuchen es schon seit ein paar Monaten, es geht um Straßenschilder und… „Ich kann nichts für Sie tun“, sagt er genervt. „Mir sind die Hände gebunden.“ Genau genommen sind ihm seit zwei Jahren die Hände gebunden. Ich habe so oft mit dem Wlodek und seiner Assistentin Zanele telefoniert, dass ich das Gefühl habe, sie besser zu kennen als so manches Mitglied meiner eigenen Familie. Beide haben tragische Schicksale hinter sich. Die Mutter von Wlodek ist in den letzten Monaten mehrfach gestorben. Zanele leidet trotz junger Jahre an akutem Alzheimer. Sie verspricht bei jedem Anruf, sich spätestens morgen um unser Anliegen zu kümmern. Wirklich, jedes Mal wieder. Aber geklappt hat es noch nie.

Alptraum Behörden

Südafrikanische Behörden sind ein Alptraum – und trotzdem geht es nicht ohne sie. Ohne staatliche Unterstützung könnte das Kinderheim nicht überleben, Gerichte entscheiden über das Schicksal der Kinder, das lokale ANC-Büro ist für Bestätigungen notwendig. Aber nichts toppt das Department of Transport. Wir brauchen dringend Straßenschilder, weil St. Joseph zwischen Timbuktu und dem Ende der Welt liegt und viele Besucher es nicht finden können. Die letzten Schilder waren aus Holz, ein wütender Mob hat sie bei Straßenprotesten in Schutt und Asche gelegt. Ohne Genehmigung dürfen wir aber keine Metallschilder aufstellen, weil diese sofort abgebaut werden. So warten wir oft vergeblich auf Eltern oder Besucher. Neuerdings kommen nicht mal mehr Sozialarbeiter, um Kinder im Heim zu besuchen. Handwerker haben keine Lust, obwohl sie die Fahrt bezahlt kriegen. Es ist ein Teufelskreis.

Weißer Hai unter den Beamten

Zu Beginn dieses Schildbürgerstreichs sind wir wochenlang in lokalen Behörden von Pontius zu Pilatus marschiert. Keiner wusste, wer eine offizielle Genehmigung ausstellen könnte. Jeder verwies auf einen anderen, der gerade nicht da war, was essen, in der Mittagspause, beim Angeln, Tante gestorben oder pensioniert. Aber nach ein paar Wochen haben wir die Nummer von Wlodek G. bekommen, dem Chef der Abteilung für Straßenbeschilderung in der Provinz KwaZulu-Natal. Wenn nicht der, wer dann, haben wir uns gedacht. Immer wieder haben wir ihn angerufen, wie Stalker, jeden Tag aufs Neue. Aber der Mann ist aalglatt, ein echter Profi. Unter den Beamten-Fischen ist das der weiße Hai.

Wie eine Fata Morgana

Obwohl: Manchmal war er ganz schön frustriert, der Wlodek. „Ich reiche bald meine Kündigung ein“, sagte er einmal am Telefon, als es drunter und drüber ging im Büro. Mal hat er kein Geld bekommen für seine Behörde, mal haben die Dienstleister gestreikt, mal seine eigenen Mitarbeiter. Trotz zahlreicher Mitarbeiter und zahllosen Meetings stand die Arbeit in seiner Abteilung eigentlich immer still. Kein Wunder: Das Design von Straßenschildern ist eine Kunst, das können nicht viele! Jedenfalls, mehr als ein Jahr lang wurde kein einziger Antrag bearbeitet, meinte die Assistentin. Als das Geld dann endlich wieder floss, tauchten neue Probleme auf: Berge von Arbeit, ein Rückstau an Anträgen, Krankheiten, abgesagte Meetings, Streiks, Urlaub, neue Vorgaben. Die Liste war endlos, unsere Schilder wie eine Fata Morgana, wenn man kurz vor dem Verdursten steht. Innerlich ausgetrocknet, träumt man vom kühlem Nass, will danach greifen, aber dann zerplatzt alles wie eine Seifenblase. Plötzlich steht man wieder mitten in der Wüste. Ganz alleine. Ohne Wasser. Und erst recht ohne Schilder.

Als wir Freunden unser Leid klagten, haben sie nur gelächelt. „Ihr braucht ein bisschen Schmiermittel, die richtige muti, meinten sie. „Ein weißer Umschlag mit einem kleinen Geschenk.“ Aber eigentlich wollten wir Wlodek und Zanele gar nichts schenken. Inzwischen war mehr als ein Jahr vergangen. Wir nahmen uns vor, ab jetzt täglich anzurufen, bis sie so genervt waren, dass sie aufgeben mussten. „Bald müssen wir schließen“, heulte ich Wlodek meinerseits was vor. „Spender aus Europa konnten das Kinderheim nicht finden beim letzten Besuch. Die haben sich offiziell beschwert!“ Ich war dem Schluchzen nahe, und ich glaube, der Wlodek hatte Mitleid. Vor ungefähr einem halben Jahr teilte er uns auf Anfrage mit, dass der Antrag endlich genehmigt war. Ein paar Wochen später schickte uns seine Assistentin die Bestätigung: Fünf brandneue Schilder fürs Krankenhaus in Mbongolwane!

„Ihr seid ein Kinderheim?“

Gut, ich gebe zu, das war schon eine Enttäuschung, für beide Seiten. „Was, das seid nicht ihr? Ihr seid ein Kinderheim? Na sowas!“, sagte Zanele. „Dann muss der Antrag nochmal neu bearbeitet werden.“ In diesem Moment gaben wir uns geschlagen. Ein paar Monate lang riefen wir nicht mehr an. Dann, im vergangenen November, wieder mal eine Nachfrage. „Jaja, ist bearbeitet, muss nur noch der Chef unterschreiben“, sagte Zanele fröhlich. „Wie geht’s dem Sohnemann?“ Allerdings war der Wlodek relativ busy. Er schaffte es erst Anfang Januar, seinen Otto unter die Genehmigung zu setzen. Aber hey, egal! Nach knapp zwei Jahren, 124 Anrufen, 76 Mails und gut 200 Stunden Arbeitszeit haben wir seit Freitag die Genehmigung für drei Straßenschilder. Ein wunderschönes Braun mit weißer Schrift, drei Wörter untereinander, alles bestens, bloß…

Behörden mit Rechtschreibfehler

Anruf bei Wlodek, heute vormittag. „Also, wir haben die Genehmigung bekommen, aber auf dem Design sind zwei Rechtschreibfehler. Können wir das selbst ausbessern und die Schilder endlich produzieren lassen?“, frage ich. Auf gar keinen Fall, sagt er. Erstmal müsse er dieser Sache auf den Grund gehen. Müsse ja alles seine Ordnung haben. Einfach eine Email schreiben an seine Assistentin, das Ganze geht dann an den Dienstleister, und der überprüft. „Alles klar“, sage ich. „Vielen Dank für die schnelle Hilfe!“

Text & Fotos: fuexxe/Flickr

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